7. Tieffrequenter Schall und Infraschall

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Bezüglich des Infraschalls wird auf S. 57 unter Bezugnahme auf die bekannten Betrachtungen verschiedener Landesämter ausgeführt, dass schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windenergieanlagen auszuschließen seien. Hier lässt sich unseres Erachtens ansetzen, dass zwar die obergerichtliche Rechtsprechung eindeutig (in mittlerweile zahlreichen Entscheidungen) genau dies immer wieder festgestellt hat. Allerdings ist den gerichtlichen Entscheidungen auch zu entnehmen, dass ein Erkenntnisfortschritt bei diesem Thema berücksichtigt werden muss. Hier ließe sich auf die jüngsten Ausführungen des Umweltbundesamts aus Januar 2024 Bezug nehmen: „Akustische Zeitenwende: 50 Jahre Lärmschutz im UBA“, Januar 2024, S. 40 f.

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_fb_50jahrelaermschutz.pdf

Das Umweltbundesamt führt dort in Bezug auf Windenergieanlagen folgendes aus:

„Hinsichtlich der Beurteilung tieffrequenter Geräusche verweist die TA Lärm auf die DIN 45680 „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ und das zugehörige Beiblatt 1 (DIN 1997a und 1997b). Die DIN 45680 beschreibt ein Mess-verfahren im Frequenzbereich von 8 bis 100 Hertz (Hz), das in Innenräumen durchgeführt wird. Das Verfahren umfasst auch Teile des Infraschallbereichs, und zwar von 8 bis 20 Hz (siehe Kapitel 6.2.3). Ob die Messergebnisse auf eine erhebliche Belästigung durch tieffrequente Geräusche hinweisen, wird nach dem Verfahren des zugehörigen Beiblatts 1 beurteilt. Dies ist der Fall, wenn die im Beiblatt angegebenen Anhaltswerte für den Tag oder die Nacht überschritten werden. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) überarbeitet derzeit die DIN 45680. Dabei ist auch vorgesehen, den Infraschallbereich von bis- her 8 Hz nach unten bis 1 Hz zu erweitern. Das UBA begrüßt diese Absicht, da hierdurch praktisch der gesamte Infraschallbereich erfasst wird.
„[…] Nach dem derzeitigen Stand der Forschung gibt es keine Evidenz dafür, dass durch Infra- schall von Windenergieanlagen negative gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht werden. Allerdings liegen bisher nur Ergebnisse von Querschnittsstudien und experimentellen Untersuchungen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse aus Übersichtsarbeiten vor. Ergebnisse aus diesen Studien können aufgrund ihres Forschungsdesigns (Querschnittstudien) und ihrer geringen ökologischen Validität (Laborstudien) nicht dafür genutzt werden, eine Einschätzung möglicher langfristiger Auswirkungen durch anthropogenen Infraschall im Wohnumfeld abschließend zu beurteilen. Um den Zusammenhang zwischen möglichen langfristigen Auswirkungen von anthropogenem Infraschall, insbesondere mit niedrigen Geräuschpegeln, abschließend bewerten zu können, bedarf es daher einer umweltepidemiologischen Langzeitstudie im Kohorten-Design.“ Dies ist eine Studie, bei der über längere Zeit in regelmäßigen Abständen dieselbe Personengruppe untersucht wird. Es sollte daher zusätzlich eine solche Studie in der Umgebung von Windenergieanlagen durchgeführt werden (Myck & Wothge 2021). Das UBA hat im Jahr 2021 ein vorbereitendes Forschungsprojekt für eine umweltepidemiologische Langzeitstudie im Kohorten-Design vergeben. Dabei sollen die inhaltlichen, methodologischen und verfahrenstechnischen Grundlagen einer solchen Studie entwickelt, wissenschaftlich geprüft und evaluiert werden. Die Forschungsergebnisse werden voraussichtlich im Jahr 2025 vorliegen.“ [Hervorh. d. d. Verf.]

Deshalb ist die Feststellung, dass schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windenergieanlagen „auszuschließen“ seien, zu voreilig. Denn mangels Belastbarkeit der bisherigen Untersuchungen wird genau dies derzeit vom Umweltbundesamt im Rahmen einer Langzeitstudie untersucht.

Außerdem schreibt das Deutsche Ärzteblatt unter folgendem Link: https://www.aerzteblatt.de/archiv/205246/Windenergieanlagen-und-Infraschall-Der-Schall-den-
man-nicht-hoert:

„Viel Wind, wenig Forschung“

Was die Erforschung der Gesundheitsrisiken angeht, legen – nicht überraschend – gerade jene Länder wenig Ehrgeiz an den Tag, die zu den größten Windparkbetreibern weltweit gehören. Nur eine einzige Studie steuert der Weltmarktführer China bei, zwei schaffte man hierzulande in Deutschland, das die dritthöchste Windenergieerzeugungskapazität auf der Welt besitzt (3). Weit weniger Windparks stehen in Australien und Neuseeland, den die Risiken von Infraschall besonders intensiv erforschenden Nationen.

Die Frequenzen von Infraschall liegen unterhalb von 20 Hertz, er ist normalerweise für das menschliche Ohr nicht zu hören (siehe Kasten). Was die Betroffenen beschreiben, ist ein Pulsieren oder ein Druckgefühl auf dem Trommelfell, auch auf der Brust (4). Die Wahrnehmung der tiefen Frequenzen geht offenbar vom Hören zum Fühlen über – perzipiert über Mechanorezeptoren. So spüren die Betroffenen auch Vibrationen, Erschütterungen oder ein Unsicherheitsgefühl (5).

Ob nun hörbar oder nicht – Anwohner in der Nähe von WEA machen Infraschall für zahlreiche gesundheitliche Probleme verantwortlich: Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Atemnot, Depressionen, Rhythmusstörungen, Übelkeit, Tinnitus, Schwindel, Ohrenschmerzen, Seh- und Hörstörungen und etliche andere. Aber die Ergebnisse sind höchst inkonsistent. So zeigen zum Beispiel polysomnografische Untersuchungen zum Schlafverhalten, dass sowohl hörbare als auch nicht hörbare Schallphänomene im Umfeld von Windrädern keine nennenswerten Auswirkungen auf das Schlafverhalten haben (6). Die ebenso unspezifischen wie zahlreichen Beschwerden gaben von Anfang an Anlass zur Skepsis. Das Team um den klinischen Psychologen Prof. Dr. Keith J. Petrie von der Universität Auckland in Neuseeland hat die Frage untersucht, ob die Psyche angesichts eines Windrades in der Nachbarschaft das Krankheitsempfinden triggert.

[…] Allerdings erklärt die Psyche die Beschwerden vermutlich nicht allein. Immer öfter zeigen Beobachtungen an den unterschiedlichsten Organen, dass es messbare Effekte von Infraschall gibt. Vergleichsweise gut untersucht wurde die Frage, ob Schall unterhalb der Hörschwelle Auswirkungen auf das Innenohr hat. Die Studien von Prof. Dr. Alec Salt von der Washington University School of Medicine in St. Louis zeigen, dass die äußeren Haarzellen der Cochlea direkt auf Veränderungen der Tektorialmembran im Innenohr reagieren, da sie mechanisch gekoppelt sind. Die äußeren Haarzellen können somit durch sehr tiefe Frequenzen angeregt werden. Anders ist es bei den inneren Haarzellen, deren Bewegung über Flüssigkeit vermittelt wird (10). Da aber die äußeren Haarzellen die Perzeptionsschwelle der inneren Haarzellen modulieren können, ist ein mittelbarer Effekt von Infraschall auf das Hören zumindest denkbar.

[…] Unter bestimmten Bedingungen, etwa beim endolymphatischen Hydrops im Innenohr (Morbus Menière), nach Barotrauma oder einem vergrößerten vestibulären Aquädukt könnte das Ohr empfindlicher auf Infraschall reagieren. Das liefert dem kanadischen Otolaryngologen Robert V. Harrison von der Universität Toronto eine Erklärung für das „Wind Turbine Syndrome“ (11). Dieses ist durch Symptome wie Schwindel, Übelkeit und Nystagmus gekennzeichnet.

Harrison erläutert, wie bei ansonsten symptomlosen Menschen Anomalien im Gleichgewichtsorgan, die sich als eine Dehiszenz im superioren (semizirkularen) Vestibularkanal im CT zeigen, Infraschall ebenfalls zu diesen Beschwerden führen könnte. Er sieht darin eine Erklärung für die Tatsache, dass manche Anwohner von WEA die Symptome aufweisen, andere jedoch nicht. Ähnlich sei es bei der Seekrankheit, deren Symptome denen des „Wind Turbine Syndrome“ auffallend ähneln: Auch hier gibt es eine Suszeptibilität bei nur 5 bis 10 % der Bevölkerung, die mit starken Symptomen reagieren (12).“

Aus gutem Grunde hat deshalb kürzlich das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs, der Staatsgerichtshof des Staatsrats in Paris, die geltenden Bestimmungen für die Lärmbelästigung von Windrädern für unzulässig erklärt.
Da die Bodenbeschaffenheit in der Gegend des geplanten Windparks besonders leitfähig ist, beantragen wir unter Berufung auf unser Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, den vorgelegten Antrag nicht zu genehmigen, da eine Gefährdung unserer Gesundheit durch Infraschall durchaus gegeben sein kann.

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